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Gschnitztal

... eine geniale Hüttenrunde bis weit nach oben

14.09.2025

Traumhaft, eindrucksvoll, durchaus fordernd - und nachdenklich.

4. bis 9.9.25 - unterwegs im Gschnitztal am Brenner. Rückblende: "11./12.9.24: ... die ExpertInnen der GeoSphere Austria haben die Wetterwarnung für Tirol nochmals aktualisiert und ausgedehnt ... sehr ergiebige Dauerniederschläge ... oberhalb von 1500 m Neuschneemenge von 1 m ... in höheren Lagen Lawinenabgänge möglich ..." Absage unserer just da geplanten Sektionstour in Gschnitz das einzig Mögliche - tut einem immer immens leid für die Hütten. Deren Saison war tw. schlagartig zu Ende.
Und dieses Jahr: Anfang Juli sorgen heftige Starkregenfälle in Gschnitz und Neustift/Stubaital für eine Unwetterkatastrophe mit etlichen Murenabgängen - ihr habt die Bilder mitbekommen. Das malerische Mühlendorf im Bergsteigerdorf Gschnitz - derzeit noch auf der Homepage abgebildet - ist Vergangenheit. Bis auf die Kapelle alles weggespült. Viele weitere Schäden. Das einzig Gute: keine ernsthaften Personenschäden.

Die Aufräum- und Sicherungsarbeiten noch voll in Gang. Man kann sich nicht vorstellen, was in den Köpfen der Bewohner vieler Alpendörfer vorgehen mag, bei jedem der immer zahlreicher werdenden Starkniederschlagsereignisse, diese dauernde Ungewissheit ...
Was können wir als einzelne und Bergsportler tun? Das muss jede(r) für sich entscheiden. Es gibt Möglichkeiten, im Kleinen bei unseren Touren z.B. dadurch, dass wir eher die ruhigeren Ziele wie diese ursprünglicheren Bergsteigerdörfer aufsuchen und unterstützen, auch durch vernünftiges Verhältnis von Anreisestrecke zu Aufenthaltsdauer, die Art unserer Anreise. Wir müssen nicht verzichten, können aber bewusst handeln.

Wir dürfen heuer bei unserem Besuch bei bestem Wetter starten und in die mit Wunden und Narben versehene, dennoch überwältigende Bergwelt eintauchen. Die Normalzustiege zur Gschnitzer Triublaunhütte und Innsbrucker Hütte bleiben diese Saison noch gesperrt, aber es gibt Alternativen.
So steigen wir über die Gargglerin auf, netter Name für einen Berg. Die Ausblicke sind wie so oft gigantisch, insbesondere weiter oben zum Habicht und in den Talschluss sowie vis-à-vis der Tribulaune. Wow!!!
Ein anstrengender Hüttenzustieg diesmal, belohnt spätestens auch auf der Gschnitzer Tribulaunhütte, einem Naturfreundehaus auf 2064 m. Speziell lieb geführt, gutes und reichlich Essen, absolut preiswert. Klare Empfehlung, hier mal vorbeizuschauen (geht über den wieder freien Fahrweg auch per Bike).
Für morgen kurzer, heftiger Kaltfrontdurchzug gemeldet. Der geplante Übergang zur italienischen Tribulaunhütte über Schneetalscharte samt Gschnitzer Tribulaun (T5) und drüben mit T4 steil runter und anspruchsvoll ausgesetzt auf Pflerscher Höhenweg - morgen nicht sinnvoll. Auch hier gibt´s vernünftige, kürzere Alternative. Nur unsere zwei Rennhennen (ihr verzeiht) packen dann eben den Gipfel auf 2946 m Höhe noch heute. OK, sind damit heute 2100 Höhenmeter im Aufstieg samt Schottergewühle, danach hungriges Abendessen in der flexiblen Hütte um 19:45 Uhr.
Ihr müsst jetzt nicht erschrecken: so etwas ist bei uns dann doch nicht Standard, lässt sich fallweise aber "out of Tourenprogramm" eigenverantwortlich ergänzen. Sollen ja alle zufrieden sein.

Dass die Tour hinsichtlich täglicher Höhenmeter ohne die individuellen Fleißaufgaben im Rahmen blieb, könnt ihr den Tracks am Berichtsende entnehmen.
Wir also am nächsten Morgen auf direktem Weg über´s 2599 m hohe Sandesjöchl auf die Südtiroler Seite. Wenig Sicht, unterwegs in aufliegenden Wolken leicht feucht, aber ohne Niederschlag. Dafür mit neugierigen Steinböcken und Alpensalamandern am Weg.
Niederschlag setzt wie vorhergesagt am Nachmittag ein, geht bis auf 2200 m runter in Schnee über, unsere beiden Unermüdlichen testen bei ihrer Zusatzschicht das Regenzeugs. 
Auf jeden Fall lassen wir uns alle auch auf dieser Hütte auf 2368 m (seit 1972 von Familie Eisendle generationenübergreifend prima betreut) aufwärmen und verwöhnen - nicht nur kulinarisch:

Die abziehende Front bietet während des Abendessens ein besonderes Schauspiel, mit den Hauptdarstellern Pferscher Tribulaun und Dolomiten. Mittags dient u.a. die Hüttenbibliothek zum Zeitvertreib.
Dank Absagen sind wir allein im Lager, durch dessen Fenster uns die bleichen Berge freundlichst wecken.

Der Morgen kalt und schön - Wetterbericht stimmt. Handschuhe an, Mütze auf. Heute eigentlich lange, anspruchsvolle Etappe samt 3000er Weißwand vorbei an geschlossener Magdeburger Hütte und über knapp 2900 m hohe Bremer Scharte. Gut 1300 Hm Auf und Ab. Angesichts langer ausgesetzter T4-Passagen über tw. ungesicherte steile Platten, einem später schon bei guten Bedingungen orientierungsmäßig schwierigen Abstieg, sagt die rollierende Tourenplanung:
STOPP - Rote Ampel.

Somit die anspruchsmäßig mittlere der 3 vorgeplanten Routen, geht nicht so weit nach oben in die weiße Pracht. Also zurück über die Pflerscher Scharte, zum Schluß mit Snowlines/Grödeln. Ausrutschen wär auch hier nix.
Drüben weniger Schnee, aber stellenweise gefroren und geht mitunter steil bergab. Jubiläumssteig nennt sich dieser Übergang von den Tribulaunhütten zur Bremer Hütte.
Ein Blockfeld kitzlig mit spiegelglatten Flechten. Obacht!
Die Bachquerung an tiefster Stelle des heutigen Übergangs mit einem der unbeschreiblichen Rastplätze dieser Gschnitzrunde.

Und jetzt ab in die Botanik. Der Illertisser Kraut- & Rübenmarkt wäre bleich vor Neid. Nass, schmierig, rutschig - nur nicht die Schuhe vollschöpfen; und ein Fehltritt nach rechts auch ungut: in fast senkrechtem Dschungelgelände findet einen so schnell niemand mehr.
Wie so oft gleich vergessen angesichts des anschließenden feenhaften Hochmoors.
Immer wieder: Welt, was bist du schön!

Zieht sich heute gewaltig. Ob man gute oder weniger gute Verhältnisse antrifft - macht oftmals extrem viel aus, muss immer einkalkuliert sein. 

 

Wir haben mehr als genug Zeitpuffer, genießen später ausgiebig die bequemen Liegemöglichkeiten an der Hütte samt Getränk. Und sehen an der gegenüberliegenden Bergflanke, dass wir uns für die absolut richtige Wegvariante heute entschieden haben.
Klar, alle hält es nicht vor Ort, die sehr anspruchsvolle Innere Wetterspitze mit ihren 3053 m ruft ...
Unsere beiden letzten Hütten liegen am Stubaier Höhenweg. Internationalität ist angesagt - bis USA, Australien und Neuseeland. Völkerverbindend, gut so - WIR sind EINE Welt!!! Dafür ist´s halt auch voll, aber wir haben Glück mit unserem Lager, genießen ein weiteres gutes Abendessen. Den Hüttenbetrieb haben sie hier auf 2413 m Höhe im Griff.


Am vierten Tag machen wir zunächst den lohnenswerten Schlenker über den Lauterersee, mit Klettersteigpassage B. Statt frühem Gipfel dort ein Bad - was manchen immer so einfällt ... Der Höhenweg dann stetes Auf und Ab, teilweise versichert. Auch hier schwarzer Bergweg mit T3, heute wieder trocken und entsprechend gut zu gehen.
Lange Etappe, und so fiebern wir der Einkehr auf der Terrasse der Innsbrucker Hütte auf 2369 m entgegen. Zwei Badenixen verlieren wir jedoch vorher an einen weiteren Bergsee ...

Am Abend erneut Naturkino vom Feinsten. Schwarze Wand, Gschnitzer und Pferscher Tribulaun werden entzündet, weiter nordöstlich leuchten die Schneeflächen von Olperer und Großem Löffler. Am Zwei-Täler-Bänkchen am Pinnisjoch neben der Hütte grüßen von gegenüber Stubaital und Karwendel im Sonnenuntergangslicht.
Da wir hier zwei Nächte bleiben haben wir ein Zimmerlager gebucht, richten uns gemütlich ein.
Auch diese Hütte seit vielen Jahrzehnten von einer Familie geführt. Äußerst freundlich, immer geduldig, trotz des Andrangs.

Die ganzen Tage waren wir gespannt - bleibt die Wetterprognose für Montag stabil? Endlich haben wir Gewissheit: Ja!
Somit steht unserer Habicht-Besteigung nichts im Weg. Ganz entspannt, die gut 900 Höhenmeter können wir auf den ganzen Tag verteilen. Die abschließenden 1100 Hm ins Tal absteigen werden wir erst morgen.
Jetzt also T4, für geübte Bergwanderer problemlos machbar. Gut abgesichert, nicht groß ausgesetzt. Und das Beste für Felsgenießer: eigentlich alle seilgesicherten Stellen lassen sich daneben "seilfrei" gehen und kraxeln, ohne andere Berggänger durch Steinschlag zu gefährden. "Plaisir individuel - oder Isch des bärig!, wie der Tiroler vielleicht sagen würde".
Oben auf 3277 m sind wir tatsächlich allein, auch unterwegs wenig Verkehr. Der Rundumblick, grandios. Bis hinaus zu Zugspitze, Karwendel, direkt vor uns die Serles, die Tuxer und Zillertaler Riesen, unsere Tribulaune mit den Dolomiten dahinter, Stubaital (hier Wilder Freiger und Zuckerhütl direkt voraus), Ötztaler, hinten Ortler und und und. Wahnsinn? Ja. Verrückt? Ja. Schön? Und wie.
Kommt mit uns auf diesen Berg und wieder herunter, taucht mit ein, steigt, schwebt, staunt: 

Seelig zurück auf der Hütte wird entspannt oder als Spritztour die Kalkwand drangehängt. 2564 m hoch, 200 Hm, schwarz mit T3, ca. 1 h hin und zurück. Auch dies absolut lohnend.
Gemütlich am Ofen Abendessen, schlafen, zusammenpacken, absteigen und heimfahren.
6 Tage Bergglück, Gemeinsamkeit, Freundschaft. Erlebnis, Energie, Kraft. Und voller Gedanken.

Wer solche Unternehmungen mag, dem sei diese Runde wärmstens empfohlen. Die Variationsmöglichkeiten erlauben, die Runde den eigenen Vorlieben und etwas eingeschränkt auch dem Wetter anzupassen. Unbedingt sollte man nicht nur bei solch schon hochalpineren Touren auch im Sommer mögliche Alternativrouten mitplanen und die Ausrüstung anpassen (Helm, Snowlines, Handschuhe ...), Bedingungen vorher checken.

Oh je, wieder kein kurzer Bericht, ich krieg´s einfach nicht hin. Aber die Bergverliebten unter euch werden es mir nachsehen - und die anderen halt entnervt wegklicken.
Und so lasse ich euch wieder entschweben mit einer abschließenden Bilderreise durch diese Gschnitzer Runde.
Danach die Tourtracks und Info zur durchaus möglichen ÖPV-Anreise bzw. dem Parken im Talschluss.
Bleibt zuversichtlich - Eure Guides Margareta und Stephan