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Brenta - ein Traum in Fels

Klettersteige und mehr

15.09.2023

... wir waren wohl ziemlich brav?

WARNUNG: Dieser Tourenbericht ist außerordentlich lang - und dafür entschuldige ich mich nicht. Frei nach Luther: Hier schreibe ich und kann nicht anders ;-)  Desweiteren wird vor Risiken und Nebenwirkungen beim Bilderbetrachten gewarnt: kann süchtig machen ...

Rückblende: 07.09.22, frühmorgens am Treffpunkt zum Start in unsere Brentatour. Wetterprognose immer ungünstiger, morgen/übermorgen Gewitter.
Telefonat mit Margareta in Burgberg; Fakten, Abwägung, Entscheidung: Wir fahren nicht!
Klettersteig + Gewitter, das geht nicht. Alternativrouten nicht möglich.
Also heim und ärgern, Hütten absagen für diese Unternehmung, von der wir seit mindestens 10 Jahren reden. 
Irgendwann dann nachfragen: sollen wir es nächstes Jahr nochmal probieren? Antwort der meisten: JA!

Und so landen wir am 07.09.23 mit exakt einem Jahr Verspätung in Madonna di Campiglio.
Die Sonne scheint, es ist warm - und so soll es doch laut aller angefragten Wetterdienste für die kommenden Tage mit hoher Prognosezuverlässigkeit auch bleiben!!!
Da müssen wir in den zurückliegenden 365 Tagen wohl alle ganz brav gewesen sein ...?
Und so steigen wir 9 zeitversetzt in 2 Gruppen glücklich ein in unsere 5-tägige Brentatour:
Auffahrt per Gondelbahn zum Grostè-Pass und los geht´s auf Weg 305, hier Sentiero Alfredo Benini - Auftakt einer eindrucksvollen Brenta-Durchquerung.

Der sehr schön angelegte Klettersteig führt mit moderaten Schwierigkeiten (B) ostseitig unterhalb von Cima Grostè und Falkner vorbei (letztere von unserer 2. Gruppe auch noch bestiegen) und bietet eine herrliche Einstimmung auf die kommenden Tage. Später treffen wir uns alle im Rifugio Tuckett und lassen diesen ersten Tag gut versorgt ausklingen.

Tag 2 führt uns über den Sentiero SOSAT (KS B/C) auf der zunächst schattigen Westseite zum Rifugio Brentei. Viel Gehgelände auch mit einigem Blockwerk in einem Bergsturzarreal, dann gilt´s einen tief eingeschnittenen Schluchtwinkel zu kreuzen. Sehr schön! Statt mit früherer Leiter (B) darf man mittlerweile an Klammern die gegenüberliegende Wand hochklettern (B/C). Bald darauf noch eine Kriechstelle als nette Beweglichkeitsübung. Langweilig wird´s auf den Brentawegen nie.
Nach einer Stärkung an der Hütte und ggf. innerer Einkehr an der Kapelle geht´s weiter auf dem Sentiero attrezzato (versicherter Steig) Martinazzi unterhalb der Cima Tosa.
Ruppig nennt Mark Zahel diesen Weg - zu Recht!

Doch er entschädigt mit schöner Klettersteigeinlage (B), bevor es auf und entlang der Reste des Gletschers = Vedretta dei Camosci in die gleichnamige Scharte hochgeht. Geht gerade so, ohne die Steighilfen an den Schuhen anzulegen.
Drüben über die Seitenmoräne der Vedretta d`Agola runter zum heutigen Nachtquartier Rifugio XII Apostoli auf 2488 m Höhe. Sogar mit etwas des berühmt-berüchtigten Brentanebels (hätte auch echt gefehlt, wäre der in den ganzen Tagen nicht mal aufgetaucht).
Trotz strammem Tagespensum bleibt genügend Zeit, um an der Hütte dieses beeindruckende Gebirge in all seiner Urwüchsigkeit, Kraft und Schönheit in Ruhe und Demut aufzusaugen.

Einschließlich Alpenglühen und Sonnenuntergang über dem Adamellogebirge.
Die imposante Felsenkapelle gegenüber an der Cima dei Dodici Apostoli besuchen wir am nächsten Morgen, der das Tal unter uns in Watte packt. Die vielen Gedenktafeln stimmen auch hier nachdenklich und zeigen uns unsere Begrenztheit in Raum und Zeit.

Mit allerhand Gedanken starten wir in die heutige Tour, die uns über den Klettersteig Ettore Castiglioni (C - "lohnend und kühn") mit vielen senkrechten Leitern hinüber führt zum Rifugio Agostini. Auch hier eine willkommene Einkehr mit offenem Blick nach Süden (diese Zwischenhütten erlauben es, das Getränkegewicht im Rucksack im erträglichen Maß zu halten). 

Anschließend geht´s hoch Richtung d´Ambiez-Gletscher, den wir vorsichtig teilweise mit Steighilfen queren. Gletscherbrücke, viel Geröll und bei den Temperaturen unvermeidlich viel Abfluss. Das Plätschern klingt hier gar nicht schön ...
Wenigstens ist der Übergang zum Fels einigermaßen unproblematisch, und so stürzen wir uns in den nächsten Klettersteig, den Sentiero Livio Brentari. Einen der ältesten Brenta-Steige. Glatte Platten, Leitern, dann auch Bänder, anfangs bis C, später A+B. Einfach nur schön zu gehen.
 

Stimmungsvolles Wechselspiel aus Sonne und Wolkenfetzen, beim Queren auf die Ostseite an der Bocca di Tosa ist der schnurgerade Übergang Sonne zu Wolkenschicht quasi mit der rechten Hand zu greifen.
Nach Rast ein wenig Kraxelei an der über 3000 m hohen Cima Garbari, dann anspruchsvoll weiter auf unserem Weg 358 und endlich am Rifugio Tosa Pedrotti eintreffend. Wieder ein Lager für uns allein auf dieser bestens und freundlichst geführten Hütte.
Los ist immer viel auf den Brentahütten bei passendem Wetter; erstaunlich, wie gut die Hüttenteams das hinkriegen und uns hungrige und durstige Mäuler prima versorgen.

Unsere einzige ostseitige Hütte beschert uns pünktlich während des Frühstücks einen Sonnenaufgang über den Dolomiten.
Besondere Momente auf einer ohnehin besonderen und außergewöhnlichen Tour.

An den Tagen zuvor haben wir bewiesen, dass wir Brenta können.
Also dürfen wir jetzt auch einsteigen ins erste Herzstück, die Via delle Bocchette Centrale. Frei nach dem Klettersteigführer des Alpinverlags: Dieser wohl berühmteste Bänderklettersteig im Herzen der Brenta ist mit B nicht besonders schwer, aber es wird alles geboten: super Aussicht, schmale aber immer gut gangbare Felsbänder, die wie mit dem Lineal gezogen die Felswände teilen und schöne Eisenleitern. Mitten drin dann der Felszapfen des Campanile Basso, an dem wir den Kletterern zuschauen können.
Einfach anhand der nachfolgenden Bilder mitgehen auf diese einzigartige Reise am Fels: